Tag 2 (23.09.2016)
(Artikel ist die Fortsetzung dieses Beitrags, Teil 1 findet sich hier)
Um 7:00 Uhr morgens sehe ich von unserem Balkon aus zwar keine Menschenseele weit und breit, die ersten Liegen wurden aber dennoch bereits mit Handtüchern reserviert. Endlich erlebe ich das auch mal, was Pauschaltouristen immer erzählen! Nach dem Frühstück folgt eine Einweisung durch die Reiseleitung, die fairerweise nicht nur Touren verkaufen möchte, sondern auch sonst gute Tipps auf der Insel hat. Leider gibt es vor Ort nur einen nicht besonders schönen Strand und im kleinen Ort quasi überhaupt nichts, was sich zu sehen lohnt (außer einem privaten Garten, in dem Landschildkröten leben). Zudem sind die Busverbindungen von hier bis in die Hauptstadt nicht allzu gut und die Vorstellung, mit den Kindern und Strandgepäck zuerst in die Hauptstadt und von da aus dann weiter in einen der kleinen Orte mit schönem Strand zu fahren, ist nichts für uns. Uns fehlt definitiv ein Auto. Oder besser noch unser Bus.
Als um 10:30 Uhr die ersten Engländer in die Snackbar ziehen, um Burger zu essen, vertreiben wir uns die Zeit erst auf dem Spielplatz und anschließend in unserem laut Webseite sehr ruhig gelegenen Appartement. Da gerade Wassergymnastik ansteht, wummern unsere Balkonfenster im Takt zu irgendwas aus Flashdance und im Anschluss wird über die Lautsprecheranlage ebenso laut, wie deutlich und ausführlich auf die gefährliche Sonne hingewiesen und die Unterschiede der verschiedenen Sonnencremes und –öle erörtert. Bei Fragen rund um das Thema würde es einen Infostand in der Nähe des Pools geben und mal solle nicht zögern, die Kollegen dort zu löchern. Mir fällt leider im Moment keine Frage ein, es ist aber ein beruhigendes Gefühl zu wissen, jemand Kompetentes im Notfall in der Nähe zu haben. Kurz durchfährt mich der Gedanke, ob es nicht sinnvoller wäre, über die Ansteckungsgefahren der im Moment im Hotel grassierenden Hand-Mund-Fuß-Krankheit aufzuklären, statt die herbstliche Sonne zu verteufeln. Ich verwerfe den Gedanken aber schnell wieder, weil es schon wieder zum Mittagessen geht. (Hand-Mund-Fuß für Nicht-Eltern: googled es selber, ich kannte das vor den Kindern auch nicht)
Zu Mittag gibt es die identische Auswahl, wie gestern zum Abendessen. Egal, immerhin gibt es ja genügend verschiedenes! Der Nachmittag wird am kleinen, nassen, muffelnden Strand verbracht, zum Abendessen gibt es erneut das gleiche und jetzt ist dann auch alles probiert, was mir schmeckt. Die Kinder essen mittlerweile nur noch Chicken-Nuggets und Pommes. Und Süßigkeiten, die mittels Metallzangen aus großen Gläser gefischt werden und allesamt so furchtbar süß sind, dass wir Kontinentaleuropäer sie kaum runterbekommen. Zusätzlich hat Noa herausgefunden, wo ein Zapfgerät für Fanta steht, an das er auf Zehenspitzen gerade so hinkommt und er macht so ausgiebig davon Gebrauch, dass er häufig darauf hinweist, überhaupt nichts mehr essen zu müssen und lieber noch mehr trinkt. Kurz beim Bumsi vorbei und dann ab ins Appartement. Carina holt später, als die Kinder schlafen, noch je zwei verschiedene Cocktails für uns aus der Bar ins Zimmer – beide fürchterlich.
Tag 3 (24.09.2016)
Frühstück wie immer. Wobei, was heißt wie immer? Es ist genau das zweite Mal frühstücken, durch den immer gleichen Ablauf von Frühstück, Mittag- und Abendessen kommt es aber einem schon jetzt wie eine vertraute Ewigkeit vor. Am Tisch neben uns verschluckt sich ein Englisches Baby, weil der dazugehörige Vater durch Ablenkung der skandinavischen Sportanimateurin nicht hingeschaut und zu schnell zu viel gefüttert hat. Glaube ich zumindest, ich hab’s nicht genau gesehen, weil ich irgendwie abgelenkt war… Der natürliche Überlebenswille des Babys ist jedoch groß und so schafft es alleine, sich des Essens in der Luftröhre zu entledigen. Und dem in der Speiseröhre. Und dem im Magen. Nicht schlimm und jeder, der ein Kind hat, kennt ähnliche Situationen. Allerdings ist die nun dazugekommene Mutter so peinlich berührt, dass sie nur noch schnell mit einem Stapel Servietten versucht, das Gröbste abzuwischen, was ihr aber nur wenig gelingt. Die natürliche Reaktion ist deshalb Flucht. Die Eltern lassen ihr gerade geholtes Frühstück komplett stehen (verständlich, da der beißende Geruch auch schon am Nachbartisch fast jeglichen Appetit nimmt), nehmen ihr kreidebleiches Kind unter den Arm und verschwinden unauffällig. Zurück bleibt ein feuchter Hochstuhl und ein Stapel Servietten, der sich von unten langsam mit Flüssigkeit vollsaugt. Auf einen Schlag wird mir klar, warum der Hochstuhl, in dem Teo vorgestern gesessen hatte, so übel roch, obwohl er äußerlich sauber war. Bis das Personal den jetzt freien Tisch leer räumt, wird der Stuhl getrocknet sein und er kommt zurück zu den anderen, bis ihn der nächste Gast holt. Ob das Hotelpersonal gewillt ist, die 50 aufeinandergestapelten Servietten komplett wegzuwerfen oder ob da vielleicht irgendwo eine Grenze gesetzt wird, ab der die oberen Tücher wohl noch trocken genug wären, um diese dann zurück zu den restlichen sauberen zu legen, sei mal dahingestellt, so oder so verspüre ich ein großes Bedürfnis, mich komplett zu desinfizieren.
Wir frühstücken trotzdem fertig. Beim Rückweg auf die Zimmer sehen wir das Baby wieder, wie es – noch immer kreidebleich – neben dem Babypool in der Sonne sitzt und gerade einen Donut in den Mund geschoben bekommt. Dieses und auch auffallend viele andere Kleinkinder haben hier rote Flecken im Gesicht, was aber bestimmt nichts mit der Hand-Mund-Fuß-Krankheit zu tun hat. Unser restlicher Vormittag ist natürlich durch Essen bestimmt, wir sind des Öfteren in der Snackbar und essen mal hier einen Hamburger, mal da eine Pizza und finden das mittlerweile ganz normal. Nachdem ich mich auf dem Rückweg vom Zapfen meines 7. oder 8. Vormittagsbieres befinde (an die Menge gewöhnt man sich recht schnell), gehe ich am Sonnen-Infostand vorbei und erwische mich dabei, wie ich den festen Vorsatz treffe, zwei Fragen loszuwerden: Ich habe im Internet gelesen, dass die Erde eine flache Scheibe ist. Ist die Sonne dann auch flach? Und: Woher hat die englische Mittsiebzigerin, die seit drei Tagen neben dem Stand auf der Liege schläft, ihren eingeölten Ganzkörper-Lederanzug mit aufgenähtem Bikini her und schläft sie wirklich nur? Der Appetit ist zum Glück größer als die Neugier und ich gehe zurück in die Snackbar. Ich betrachte meine Familie aus der Ferne. Die drei zusammen dürften gute 20kg mehr auf den Rippen haben, als vorgestern, Teo isst gerade ein Eis und Noa hat ein frittiertes Etwas in der Hand, das ihm triefend dabei hilft, sich vom Kindersitz der Gruppe 2 auf 3 hoch zu futtern. Nur Carina hat noch nicht resigniert und versucht hilflos, aber pfeilschnell (Kaffee ist natürlich hier auch inklusive) das unter der Hand illegal besorgte Obst in die Kindermünder zu schummeln. Man kann es nicht mehr leugnen – wir werden hier in kürzester Zeit zum All-Inclusive-Urlauber verkommen und es nie mehr zurück in die Wirklichkeit schaffen.
Nachmittags sitze ich während Teos Mittagsschlaf mit Noa alleine auf einem Spielplatz und schaue aus kurzer Entfernung zu, wie ein einsames, trauriges, als Pirat(in) verkleidetes Mädchen links vom Spielplatz von zwei Animateurinnen über das Hotelgelände geschoben wird. Das ist dann wohl die Piratenschatzsuche, die man im Bumsi-Club erleben kann und die wohl von der Grundidee so gedacht war, dass mehr als ein Kind nach dem Schatz sucht. Halt nein, nicht im Bumsi-Club, sondern in dem zweiten Club für die etwas älteren Kinder. Der Bumsi-Club ist gerade direkt vor dem Spielplatz damit beschäftigt, ein einzelnes Baby zu betreuen und es stellt sich eher so dar, dass die Animateurinnen darum streiten, wer denn jetzt das Baby um den Pool tragen darf. Mein Blick schweift weiter nach rechts (hatte ich erwähnt, dass ich auf dem Spielturm neben der Rutsche stand und der Ausblick phänomenal war?) und trifft zwei Wanderer, die mit leichtestem Gepäck und völlig verwahrlostem Äußeren auf dem Weg ins nächste Dorf sind. So stelle ich mir vor, wenn man im Gefängnis sitzt und draußen der gefängniseigene Drohnenabwehr-Adler seine Kreise zieht: Die sind frei und wir sind hier auf der Anlage gefangen. Ich beginne mich darauf zu freuen, dass der Urlaub endlich rum ist.
Als Carina dann abends unter leisen „Bi-Ba-Bumsi“-Tönen aus Richtung der Veranstaltungsbühne noch freiwillig loszieht, um 4 Cocktails und 2 Bier ins Appartement zu holen (mehr kann sie wohl nicht tragen?) und ich nach Rückkehr ihr scheinbar schlechtes Gewissen bemerke und, dass sie stark nach Pudding riecht, treffen wir den Entschluss: Wir müssen hier raus! Für morgen brauchen wir ein Auto!
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